Zeitgleich zur Bezirksmeisterschaft fand der 13. Ems-Vechte-Cup in Lingen statt. Aufgrund der unglücklichen Terminierung der beiden Meisterschaften und kurzfristiger Absagen, nahmen lediglich 28 statt 38 Personen am Ems-Vechte-Cup teil. Trotz der geringeren Anzahl war das Teilnehmerfeld aus Sicht von Felix, der an Platz 12 gesetzt war immer, noch viel zu stark aus, als dass er sich irgendwelche Chancen auf eine Top 5 Platzierung ausgemalt hätte. Allerdings kam alles anders. Felix gelang die Sensation. Er konnte das Turnier mit 4,5 aus 5 Punkten gewinnen, holte 2,5/3 Punkte gegen 3 Gegner aus den Top 5 und schlug Großmeister Lev Gutman überraschend in der letzten Runde. Aber fangen wir vorne an.
Runde 1
Um pünktlich zur 1. Runde in Lingen zu sein, machte sich Felix bereits um 04:00 Uhr morgens auf den Weg nach Hause aus München. Stark übermüdet stand dann die erste Runde gegen einen alten Teamkollegen aus Lingen, Michael Hinrichs (1432), an. In den entscheidenden Momenten spielte Felix unpräzise, sodass sich eine remisliche Stellung mit nicht mehr allzu viel Material ergab. Michael spielte eine starke Partie, machte am Ende allerdings den einen Fehler, der die Partie doch noch zugunsten von Felix entscheiden sollte. Sehr schade für ihn und ebenso glücklich für Felix.
Runde 2
Ausgeschlafen, aber unvorbereitet ging es am folgenden Tag gegen Manfred Lenhardt (1966) vom SC Weiße Dame e.V. (Berlin). Manfred ist ein erfahrener Spieler, der vor einigen Jahren bereits eine Elo von 2200 hatte und ebenfalls ein starkes Turnier spielte. Nur gegen GM Gutman musste er sich geschlagen geben, nachdem er eine taktische Abwicklung in einer besseren Stellung übersah. Die Partie ist schnell zusammengefasst. Felix kam vorteilhaft aus der Eröffnung, schätzte sein Angriffspotenzial falsch ein und lies Manfred unnötigerweise zu immer mehr Gegenspiel kommen, sodass er seine Figuren wieder passiv stellen musste und leicht schlechter stand. In Zeitnot gelang es Manfred nicht, die Stellung zu verbessern und lies es wiederum zu, dass Felix sich konsolidieren kann. Schlussendlich einigten sich beide Spieler auf Unentschieden. Obwohl Felix nicht zu 100% mit seinen Partien zufrieden war, waren nach 2 Runden 1,5 Punkte zu verbuchen.
Runde 3
In Runde 3 hieß der Gegner Keno Aden (1885). Bei der LJEM 2013 spielten beide das erste und letzte Mal gegeneinander. Damals einigte man sich im beschleunigten Drachen viel zu früh nach bereits 28 Zügen auf Remis. Auch Keno hatte mehrere Jahre mit dem Schachspielen pausiert und wärend der Coronazeit die Faszination für das Spiel wieder für sich entdeckt. Beide hatten sich die alte Partie angeschaut und waren entschlossen, dieses Mal auf Sieg zu spielen und kein Remis zu schieben. Keno durfte die weißen Steine führen und spielte Katalanisch. Felix konnte die Eröffnungsprobleme schnell überwinden und hatte recht früh eine ausgeglichene Stellung erreicht, in der er sich wohl fühlte und es für Weiß nicht trivial war, den richtigen Plan zu finden, um einen minimalen Vorteil zu halten. Keno fand diesen nicht und machte mit f4 eine Ungenauigkeit, die Felix direkt ausnutzen konnte. Die korrespondierende Stellung ist unten abgebildet und der Rest der Partie kann nachgespielt werden. Keno begang mit Sf3 den letzten entscheidenden Fehler, sodass die Stellung nach a5 von Schwarz verloren ist, da die weißen Figuren extrem schlecht koordiniert sind und sogar der erste Bauer fällt.
Runde 4
Am Samstagabend stand Felix auf Platz 3 und der Traum vom Preisgeld lebte plötzlich. Dazu musste allerdings mit dem 18-jährigen Jakob Weidemann (2155) vom Schachklub Münster die nächste Hürde genommen werden. Jakob hatte in der ersten Runde gegen Yannick Hidding (1815) ein Remis abgeben müssen, weshalb ein Remis mit Schwarz gegen ihn zumindest im Bereich des Möglichen lag. Es gab sehr viele Partien von ihm in der Datenbank, sodass schnell klar wurde, dass gute Eröffnungskenntnisse notwendig wären, um nicht nach der Eröffnung schlecht zu stehen. Nach einer intensiven Vorbereitung konnte es dann losgehen. Zu Felix Pech (oder Glück?) wich Jakob bereits im 7. Zug von der Theorie ab, sodass die Partie beginnen konnte. Durch einen für Felix günstigen Abtausch konnte Felix viel Druck auf den Zentrumsbauern e5 machen. Jakob war nicht bereit diesen abzugeben und klammerte sich etwas zu sehr an ihn, womit wir zu der abgebildeten Stellung kommen. Weiß steht auf Verlust und spielt h4. Wie kann Felix entscheidenden Vorteil bekommen?
Nach zwei sehr zufriedenstellenden Partien gegen starke Gegner bedeutete dies 3,5 Punkte und Platz 2 hinter GM Lev Gutman mit 4 Punkten nach 4 Runden.
Runde 5
In der letzten Runde erhielt Felix somit sein Endspiel um den Turniersieg gegen GM Lev Gutman (2310) – seinen ehemaligen Jugendtrainer und den langjährigen Sekundanten vom ehemaligen WM-Kandidaten GM Viktor Kortschnoi.
Also was macht man, wenn man gegen seinen ehemaligen Trainer spielt, der auch noch Großmeister ist und dir die Eröffnung beigebracht hat, die du nach so vielen Jahren nur noch nach Bauchgefühl spielen kannst? Richtig, man spielt sie trotzdem, weil man alle anderen Eröffnungen noch weniger kann. Gerne würden wir euch nun von einer grandiosen Partie berichten, in der Felix Lev wenig Chancen lies. Allerdings wurde Felix in der Eröffnung überspielt. Der Respekt vor dem Gegner und mangelnde Theoriekenntnisse sorgten dafür, dass Felix passive Züge gespielt hat, die er gegen andere Gegner nicht gespielt hätte. Irgendwann kam der Moment, in dem er seine Figuren dann doch aktiv stellen wollte. Jedoch wählte er das falsche Läufermanöver und stand auf Verlust. Lev übersah, dass er eine Qualität gewinnen kann und gewann lediglich einen Bauern, stand allerdings trotzdem klar besser, da Felix Figuren zudem passiv standen. GM Gutman wählte eine Reihe von Ungenauigkeiten, sodass Felix seine Stellung wieder konsolidieren konnte und auf eine Reihe von Abtäuschen und ein möglicherweise haltbares Endspiel hoffen durfte.
Womöglich frustriert dadurch, viel Zeit verbraten zu haben und seinem Gegner die Möglichkeit gegeben zu haben, es ihm noch schwieriger zu machen die Partie zu gewinnen, kam das Unfassbare. Lev übersah eine taktische Abwicklung, nach der er einen Läufer weniger hat und gezwungen ist, die Damen und einen weiteren Turm zu tauschen, um nicht schnell Matt gesetzt zu werden. Das Turm und Läufer und 3 Bauern gegen Turm und 4 Bauern Endspiel konnte Felix dann souverän nach Hause bringen. Tja, und auf einmal kommt der aktuelle Sieger des Ems-Vechte-Cups aus Meppen. Durch das Preisgeld waren dann sogar seine Fahrtkosten mehr als gedeckt – was aus München absolut keine Selbstverständlichkeit ist.
Runde | Farbe | Gegner | Ergebnis |
---|---|---|---|
1 | w | Michael Hinrichs (1432) | 1 |
2 | w | Manfred Lenhardt (1966) | ½ |
3 | s | Keno Aden (1885) | 1 |
4 | s | Jakob Weidemann (2155) | 1 |
5 | w | GM Lev Gutman (2254) | 1 |
Ein Siegerfoto vom Turnier haben wir leider nicht, dafür ein viel besseres: Felix vor ein paar Wochen in Island am Grab von Bobby Fischer. Der Besuch beim vielleicht besten Spieler aller Zeiten scheint geholfen zu haben. Mit einem passenden Zitat wollen wir den Artikel dann auch abschließen.
„Darum geht es im Schach. Einen Tag gibst du deinem Gegner eine Lektion, am nächsten Tag gibt er dir eine.“
Bobby Fischer
Aufgabe des Tages
Eine kleine Lektion haben wir zum Ende dieses Artikels auch noch für euch. Vor 2 Wochen spielte Dirk Vormann das Herbstturnier beim Klub Kölner Schachfreunde (Turnierbericht und Tabelle) mit und gewann in Runde 3 mit Schwarz, weil sein Gegner in der Diagrammstellung den schlechten Zug 17…h3 gespielt hatte.
Weiß erwartet hier, dass sich die schwarze Dame nach d7 zurückzieht und hofft, sie mit Lf2 zu fangen, falls sie den Springer auf g3 schlägt. Tatsächlich gewinnt Schwarz allerdings nun 2 Bauern. Siehst du wie?
Lösung: 17… Dxg3 18. Lf2 Dxg2+! (Nicht Df4?? wegen 19. g3 und die Dame wäre tatsächlich gefangen) 19. Kxg2 Sf4+! (der Läufer deckt dieses wichtige Feld nicht mehr) 20. Kh2 (Kg3 deckt zwar den Sf3, ist aber nach Sh5+ noch schlimmer für Weiß.) Sxd3 21. cxd3 Sxd5 (Das hat Dirk zwar übersehen, aber Partieverlauf mit 21…Sh5 gewann auch.) 22. exd5 Txf3